BVerfG-Urteil 26.07.2005: Bundesverfassungsgericht Karlsruhe stuft Teile der Geschäftspraxis der Lebensversicherer als verfassungswidrig ein

Am 26.07.2005 hat das Bundesverfassungsgericht unter den Aktenzeichen 1 BvR 782/94 und 957/96 nach nunmehr 10 Jahren Verhandlungsdauer entschieden.

Die verurteilten Lebensversicherungsunternehmen haben in der Vergangenheit erhebliche stille Reserven aufgebaut. Dies erfolgte z.B. durch Abschreibungen auf verschiedene – aus Kundengeldern erworbene – Vermögensgegenstände wie Immobilien und Aktien.

Ohne für die Versicherungsnehmer erkennbare nachvollziehbare Gründe haben die Versicherungsunternehmen dann alle Versicherungsverträge mit Genehmigung des Bundesaufsichtsamtes auf eine neu gegründete Gesellschaft übertragen (ohne die Versicherten zu fragen). Den Versicherten wurde dann auch der „wirtschaftliche Gegenwert“ Ihrer Ansprüche mitgegeben – die stillen Reserven verblieben aber bei dem jeweiligen Versicherer.

Allein beim Deutschen Herold sollen nach Ausführungen des Gerichtes die unterschlagenen Gelder mindestens 350 Millionen DM betragen haben. Das Bundesverfassungsgericht kommt dann richtigerweise zu dem Schluss, dass diese Praxis verfassungswidrig sei und untersagt den Versicherungsgesellschaften die Fortführung dieser Praxis.

Unverständlicherweise führt das Gericht dann aber aus, dass nicht davon auszugehen sei, dass die Kunden noch ein Interesse an der Rückübertragung der in der Vergangenheit unterschlagenen Gelder hätten. Im übrigen wäre diese mit einem erheblichen Verwaltungsaufwand verbunden, der aufgrund der zu erwartenden Fehlerquoten den Beteiligten nicht zuzumuten sei.

Unbeschränkte Querverrechnungen

Ein weiteres verfassungsrechtlich zu beanstandendes Problem wurde darin festgestellt, dass so genannte „Querverrechnungen“ ebenfalls nicht gesetzlich beschränkt sind. Durch einen schlechten Risikoverlauf, in Form einer unerwartet hohen Sterblichkeitsrate, kann das Betriebsergebnis des Versicherers aus dem Risikoanteil beeinträchtigt werden.

Eine Querverrechnung liegt vor, wenn durch einen schlechten Risikoverlauf ‚erwirtschaftete‘ Verluste durch das eigentlich auf den Sparanteil entfallende Ergebnis aufgefüllt werden.

Das bedeutet in einfachen Worten: Bei einem Monatsbeitrag 100,-€ entfallen z.B. 15,-€ auf den Risikoanteil. Der Rest – der sog. Sparanteil von 85,-€ – wird verzinslich angelegt (sonstige Kosten einmal unberücksichtigt). Hat sich die Gesellschaft verkalkuliert und die Risikokosten betragen beispielsweise 30,-€, so wird der „erwirtschaftete“ Verlust von 15,-€ durch die Querverrechnung aus dem Sparanteil entnommen.

In diesem Beispiel werden somit nur 70,-€ verzinslich angelegt. Da Ihr eingezahltes Geld nicht treuhänderisch verwaltet wird, müssen Kosten auch nicht eingehalten werden. In der nachfolgenden Datei erhalten Sie kleinen Einblick über enorm schwankende Kosten, welche vermutlich durch solche „Querverrechnungen“ entstehen.

Zumindest wurde der Gesetzgeber gefordert bis Ende 2007 eine gesetzliche Regelung zu finden, die es den Versicherungsgesellschaften unmöglich macht sich derart einfach an den Kundengeldern zu bereichern. Diese Regelung wurde ab 01.01.2008 mit der Reform des Versicherungsvertragsgesetz umgesetzt.

Quelle: Gegen Altersarmut

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